Rohschinken-ABC
Produktbestimmung
Der istrische Rohschinken ist ein haltbarer Selchwarenprodukt, verarbeitet auf istrischer Art, mit Knochen oder entbeint, trocken gepöckelt mit Meersalz und verschiedenen Naturgewürzen und ohne geräuchert zu werden an der Luft getrocknet.
Autor von Texten:
Prof. Dr. Agr. Romano Božac
Klimatische Bedingungen Istriens
Der istrianische Rohschinken wird am häufigsten im Inneren der Halbinsel hergestellt, wo die klimatischen Bedingungen das Pökeln und die Herstellung in den Wintermonaten ermöglichen. Die dafür besten klimatischen Bedingungen findet man in der Umgebung von Pazin. Gemäss der Daten des Kroatischen Instituts für Hydrometeorologie sind die Durchschnittstemperaturen sowie die Luftfeuchtigkeit in dem genannten Gebiet für das natürliche Trocknen optimal.
Die anhaltende niedrige Temperatur (3-4°) und die allmähliche Senkung der Luftfeuchtigkeit (65-70%), begünstigen die gleichmässige Trocknung und Reifung des Rohschinkens. Mit Beginn des Frühjahrs und der wärmer werdenden Tage werden die Schinken in die Kellerräume zum Reifen umgehängt, wo eine günstige Lufttemperatur (13-15°) und eine stabile Feuchtigkeit (65-70%) herrscht.
Darüber hinaus begünstigt das Klima Istriens mit seinen Windarten den Reifungsprozess. Laut der Daten des Kroatischen Instituts für Hydrometeorologie gab es zwischen den Jahren 1989 und 1998 insgesamt nur 11% windlose Tage.
In der Mitte der Halbinsel wehen am häufigsten Ost-, Südost- oder Südwinde. Für die optimale Trocknung und für den Reifungsprozess des Rohschinkens sind die nord- und nordost Winde sowie der Wind aus dem Učka-Gebirge von entscheidender Bedeutung.
Die natürlich vorhandenen klimatischen Bedingungen bieten somit eine ideale Voraussetzung für die traditionelle Herstellung des istrischen Rohschinkens. Dank des Mittelmeerklimas sind keine extrem niedrige Temperaturen vorhanden und die häufigen Winde sorgen für eine natürliche Kühlung.
Schweine für die Produktion
Traditionell wird der istrianische Rohschinken aus schweren Schweinen (150-200 kg) hergestellt, die auf Bauernhöfen mit privater Schweinezucht aufgezogen worden sind. Die Schinkenproduktion ist in den letzten Jahren bedeutend angestiegen.
Seit der letzten 20 bis 30 Jahre werden große weiße Schweinerassen wie Large White, Swedish Landrace und Dutch Landrace sowie auch ihrer Kreuzungen gezüchtet. Die Schweine, die für die Produktion des Rohschinkens in Frage kommen, werden mit Futterrüben, Kürbis, Kartoffeln, Getreide, Mais und anderen Feldprodukten gefüttert. Die Schweine werden auch ins Freie gelassen, damit Eicheln, Wurzeln und verschiedene Pilzenkeime (Knollengewachse-Trüffeln) das Futter ergänzen.
Technologie der Herstellung
Da der istrianische Rohschinken zusammen mit dem Beckenbein verarbeitet wird, ist die primäre Verarbeitung der Keule sehr spezifisch. Auf der Keule bleiben die Hüftknochen, d.h. der Darmbein (os illium) und der Sitzbein (os ischii), nur der Schambein (os pubis), der Kreuzbein (os sacrum) und die Schwanzwirbeln (vertebrae caudales) werden entfernt. Das Beinchen wird im Gelenk (articulus tarsi) entfernt, indem der Schienbeinknochen im Unterschenkel (tibia und fibula) an das Sprungbein und an das Fersenbein (talus und calcaneus) gebunden bleibt . Die Lateral- und die Innenseite der Keule werden zusammen mit dem Fettgewebe cca. 10cm vom Gelenk enthäutet. Die Keulen, die auf dieser Art verarbeitet werden, sind durch ein spezifisches Aussehen und eine offene Oberfläche geprägt.
Tradition des Pökelns und des Trocknens
Das Verfahren des Pöckelns und des Trocknens der Schweinskeule ist für die Mittelmeerländer, besonders für Italien und Spanien, kennzeichnend. Dafür sind aber auch der deutsche Schwarzwald und der Schinken Westfallens, der französische Jambon de Bayonne, der finnische Saunaschinken und der Country-Style Schinken, welcher in den Vereinigten Staaten hergestellt wird, bekannt.
In der Republik Kroatien stellt die istrische Halbinsel mit ihrer mikroklimatischen Bedingungen und kultureller Umgebung ein Gebiet, wo jahrhundertelang der Rohschinken hergestellt wird, dar. Seit alten Zeiten bis heute ist der istrische autochtone Rohschinken in der Gastronomie Istriens ein hochwertiger Produkt, worauf jeder Istrier stolz ist.
Die Merkmale des istrischen Rohschinkens weisen darauf hin, dass sich dieser Schinken von den zahlreichen anderen Schinkentypen, die in der Welt hergestellt werden, deutlich unterscheidet. Man begegnet sich hier mit einer Handwerkstradition der Schweinkeuleverarbeitung, als noch man auf den Bauernhöfen grössere Mengen von Fettgewebe benötigte, das ins Schweineschmalz überging, welches man später beim Kochen verwendete. Die verarbeiteten Schweinkeulen werden trocken gepöckelt, und ausschliesslich in Meersalz oder in Naturgewürzen wie Pfeffer, Lorbeer, Rosmarin und Knoblauch eingelegt. Das Verfahren des Trocknens und die Reifezeit dauert zwischen 12-18 Monate unter istrischen klimatischen Bedingungen.
Der Produkt ist durch eine spezifische Aroma und besonderem Geruch und durch einem mild salzigem Geschmack verkennbar. Dieser Rohschinken zeichnet sich durch eine gleichförmige rote Farbe und durch eine anziehende Konsistenz aus. Der istrische Rohschinken ist von allen für die Gesundheit gefährlichen Stoffen frei, da es bei dem trockenen Pökelverfahren auf Nitrate, Nitrite und irgendwelche Aditive vollständig verzichtet wird. Bei der Verarbeitung des Fleisches gibt es keine Räucherphase, deshalb enthält der Produkt keine gefährlichen kanzerogenen Rauchsubstanzen (aromatische polyzyklische Verbindungen, Teer, Formaldehyd, Kresol, Keton, Kohlenmonoxyd, Piridin usw.).
Aufgrund der gennanten Faktore ist der istrische Rohschinken ein autochtoner Produkt von höchster Qualität und der einzigartige Deuter der Gastronomie und des Tourismus Istriens. Seine Originalität wurde durch das Zertifizierungszeichen für Staatliches Intelektuelles Eigentum G20020002A geschützt, was auch im kroatischen „Blatt zum Intelektuelles Eigentum“ (2/2002) veröffentlicht wurde. Im Jahr 2015 wurde er EU- weit mit der geschützten Ursprungsbezeichnung registriert.
Pökeln des Rohschinkens
Bei der Herstellung des istrianischen Rohschinkens findet nur das trockene Pökeln der Schweinekeulen Anwendung. Die vorbereiteten Keulen werden in Meersalz oder in einer Mixtur von Meersalz und Naturgewürzen eingelegt. Am häufigsten handelt es sich um ein Gemisch aus Meersalz, gemahlenem Pfeffer (Piper nigrum) und Knoblauch (Allium satvium). (Die Mixtur für das trockene Pökeln des Rohschinkens besteht aus 94-98,5% NaCl, 1,5-% gemahlenem Pfeffer und aus l,5-2% Knoblauch.).
Unmittelbar vor dem Pökeln oder vor dem Salzlakeverfahren wird das Fleisch fachgerecht zerlegt: das Restblut in der Keule wird mit starkem Druck aus der Arterie am Knie (a.femoralis) herausgepresst, wie auch aus den anderen bluthaltigen Teilen. Dann werden die Keulen grosszügig mit der Mixtur eingerieben und eine auf der anderen in drei bis fünf Reihen geschichtet, so dass die Innenseiten nach oben zeigen.
Nach einer Woche müssen die Keulen mit der selben Mixtur wieder eingerieben werden und diesmal mit der Innenseite nach unten geschichtet werden. Die so angeordneten Keulen liegen noch sieben Tage bei einer Temperatur zwischen 3 und 6 Grad in einem äusserst sauberen Raum. Es folgt die Trocknung in dem selben oder in einem anderen Raum, wo ebenfalls eine Temperatur von 3 bis 6 Grad herrschen muss, und wo eine relative Luftfeuchtigkeit zwischen 80 und 90% herrscht.
Das Trocknen und die Reifezeit
Das Trocknen des Rohschinkens findet in sauberen Räumen statt, die einem konstanten Durchzug ausgesetzt sind. Die Durchzugsstärke kann man durch Öffnen oder Schliessen von sich gegenüberliegenden Fenstern regeln. Wünschenswert ist, dass ein Luftzug von 10 cm / sec herrscht.
Ende April, wenn die Schweinekeulen 25% ihres Anfangsgewichts verloren haben, werden sie in die Klimakammern oder Keller, wo eine konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit herrscht, umgelagert. Diese Räume sind durch Fliegengitter vor dem Eindringen von Insekten geschützt.
Die optimale Temperatur beträgt 13 bis 15° Grad und die relative Luftfeuchtigkeit 65 bis 70%. Der Reifeprozess des Rohschinkens dauert in diesen Räumen bei minimaler Belüftung zwischen 12 bis 18 Monate. Diese Bedingungen ermöglichen ein gleichmässiges Reifeverfahren d.h. den gleichmässigen Feuchtigkeitsverlust des Schinkens.
Eine optimale Luftfeuchtigkeit in den Lagerräumen ist entscheidend für den gesunden Reifeprozess, da sie die Entstehung unerwünschter Microorganismen verhindert, die im Schinken die Entstehung toxischer Schadstoffe und einen unguten Geruch verursachen könnten.
Die chemische Struktur
Die chemische Struktur ist unmittelbar von der Fleischsorte, vom Futter, der Züchtung und Gesundheit der Schweine abhängig. Im Durchschnitt enthält der istrianische Rohschinken 66% Trockensubstanz, 40% Proteine, 17% Fett, 8,5% Asche, Cholesterin 85mg auf 100g sowie 5,5-6% Salz.
Ausserdem befindet sich in istrianischem Rohschinken: Kalzium (Ca), Phosphor (P), Magnesium (Mg), Natrium (Na), Kalium (K), Mangan (Mn), Kupfer (Cu), Zink (Zn) und Stahl (Fe). Der heimische istrianische Rohschinken enthält auch 18 essentielle und halbessentielle Amminosäuren und insgesammt 21 gesättigte Fettsäuren (SFA), monounsatturierte Fettsäuren (MUFA), poliunsatturierte Fettsäuren (PUFA). In dem Anteil an intramuskulärem Fett des istrianischen Rohschinkens gibt es 40,5% gesättigte Fettsäuren 44,5% monounsatturierte Fettsäuren (MUFA) und insgesamt 12,5% poliunsatturierte Fettsäuren (PUFA).
Unter den wichtigsten Fettsäuren gibt es 12% der essentiellen Omega-6 Säuren (Arachidonsäure, Linolsäure, Eicosardienoicsäure) und eine Gruppe Omega-3-Säuren (Linolensäure, Eicosapentaensäure (EPA), docosapentaensäure (DPA) und Docosahexaensäure (DHA)) 0,96% von allen poliunsatured Fettsäuren (PUFA).
Organoleptische Eigenschaften
Der istrianische Rohschinken zeichnet sich durch einen starken Duft und durch das Aroma von fermentiertem Schweinefleisch aus sowie durch seine charakteristisch gleichförmige Rotfärbung. Dieser Schinken hat einen mild salzigen Geschmack und eine gute Konsistenz. Während des Trockenpökel- oder Einsalzverfahrens, unter dem Einfluss vom Salz und biochemischer Reaktionen, beginnt das Fleisch weich zu werden und somit dank des geringen und proportionellen Wasserverlusts zu reifen.
Der verkennbare Geschmack und das Aroma des reifen Schinkens entstehen durch die Proteolyse, d.h. durch den Abbau der Proteine (Peptidbindungen, Peptide, Adenosin-Triphosphat., freie Aminosäuren). Einen besonderen Einfluss auf die Aromen, den Duft und den Geschmack hat auch die Lipolyse, d.h. die Spaltung der Neutralfette aus dem Fettgewebe in Trigliceride, Phospholipide und (FFA) Fettsäuren und weiterer Produkte, die durch die weitere Teilung entstehen.
Eine wichtige Tatsache ist auch, dass der spezifische Geruch und Geschmack des istrianischen Rohschinkens durch den Einfluss der mässigen Salzmenge sowie der anderen Zutaten der Salzlake, z.B. der Naturgewűrze, entstehen.