Istrischer Rohschinken

Geheimnisse einer Delikatesse

In der Tradition istrianischer Küche bildet der Rohschinken - Prosciutto den Höhepunkt und das Maß aller Dinge, für alle Sünden des Gaumens.

Lobt man z.B. gesalzene Sardellen, würde man sagen sie wären „wie der Prosciutto“, oder mancher Speck so gut dass man sagen würde er sei „besser als der Prosciutto“, für ein rotbäckiges Mädchen würde man demnach sagen sie wäre „rot wie der Prosciutto“.

Der Prosciutto, obwohl nicht gerade schön anzusehen, von außen mit Pfeffer eingerieben und mit Schimmel bedeckt, wird als höchste und vollkommenste Schönheit erlebt und gepriesen. Die Istrianer nennen ihn „vijulin“, die Violine.

Er verdient diesen königlichen Status mit seinem Geschmack, Duft, Farbe, genauer Zartheit bzw. Frische, und obwohl diese Elemente sehr fein ausgeprägt sind werden sie vom Feinschmecker genauestens erkannt. Die Qualität liegt in seiner Süße, Zartheit, in seinem Duft.

Der Prosciutto ist das Status-Symbol istrianischer Küche und diente in der Vergangenheit als Zahlungsmittel für den Arzt, Anwalt, Tierarzt, und alles was kommen mochte. Man aß ihn selten zu den täglichen Mahlzeiten. Ein üblicher Scherz der davon zeugt, wenn ein Kind sich nach Prosciutto sehnte sagte man ihm: „Kleiner, wenn dir nach Prosciutto ist, greif dir selbst an den Hintern!“. Eine Ausnahme waren Festlichkeiten, Hochzeiten und Besuch von Gästen.

Wo liegt also das Geheimnis dieser Spezialität?
In der Kenntnis, Sorgfalt, Geduld, aber auch in den klimatischen Gegebenheiten...


Erste Geheimnis
Als Erstes, in der istrianischen Bauernstube wurde traditionell nur ein Schwein gemästet (anders als anderenorts zu Dutzenden, wurden hierzulande die Schweine nie auf die Weide gelassen), so erreichte es ein unüblich hohes Gewicht und Größe.

Es musste die gesamte Familie über das ganze Jahr mit Fleisch versorgen, besonders mit Schmalz und Fett. Ob man es glaubt oder nicht, diesem Schwein kochte man regelmäßig eine Mahlzeit aus einer Mischung verschiedener Gemüsesorten zusammen mit Kornpellen oder Maismehl mit allen möglichen Gewürzen. Kürbis und Rüben wurden speziell für Schweine gepflanzt, und im Frühling pflückte man zudem verschiedene Kräuter.

In den letzen Monaten vor dem Schlachten wurde das Schwein intensiv mit Mais gemästet, da es noch mehr an Gewicht zunehmen sollte. Das ist der Grund und das erste Erkennungszeichen des istrianischen Schinkens- er ist enorm groß und daher sehr saftig.

Das Schlachten des Schweins war eine ganztägige Prozedur, ein Grund zur Versammlung der gesamten Familie.

Zweite Geheimnis
Bestimmte Kenner würden den Schinken formen, ihn sehr wenig salzen, ihn etwas abtropfen lassen um ihn nach ein paar Tagen in spezielle Holzkisten zu legen und ihn mit Steinplatten (getesteten Gewichts, nicht zu schwer und nicht zu leicht) zu beschweren, damit das überflüssige Blut abfließt und das Fleisch fest und kompakt wird.

Dritte Geheimnis
Nach einer Woche, je nach Wettergegebenheit, wobei windiges, kaltes und klares Wetter erwünscht war, nahm man die Schinken aus den Holzkisten heraus. Daraufhin wurden sie mit einer Masse aus grobem Salz, Pfeffer und getrockneten und geriebenen Lorbeer- und Rosmarinblättern großzügig eingerieben. Man achtete sehr darauf die Masse gleichmäßig aufzutragen, und drückte sie in größeren Mengen an den kritischen Stellen ein, besonders am Gelenkknochen der aus dem Fleisch ragt und an dem sich ungebetene Gäste sehr leicht und gern absetzen, z.B. Fliegen die dort nisten und deren Larven anschließend die ganze Mühe zerstören könnten.

Vierte Geheimnis
Den Schinken lagerte man auf dem Dachboden, bei geöffnetem Fenster (auch im Winter) damit er an der Bora trocknet. Die Bora, kalt und trocken, ist typisch für den istrianischen Winter und ein Segen für den Schinken. Die Trocknung an der Bora ist eines der beiden bedeutendsten Voraussetzungen für das Spitzenprodukt.

Drehte der Wind und kam von Süden, der zweite der beiden häufigsten Winde unserer Halbinsel, warm und feucht, bedeutete es nichts gutes für den Schinken. In diesem Fall brachte man den Schinken in die „lišjera“, ein kleines Häuschen im Hof oder ein bestimmter Raum im Haus, in der Regel mit einem Kamin in der Ecke (worauf früher die Mahlzeit der Schweine bereitet wurde), auf dem man ein Feuer anmachte um den Schinken mit Rauch zu schützen und sie zu trocknen.

Doch dies muss in so geringer Menge dosiert werden, damit nicht statt dem Rohschinken am Ende geräucherten Kochschinken entsteht. Beim Wetterumschwung brachte man den Schinken je schneller desto besser wieder auf den Dachboden zurück.

Fünfte Geheimnis
Mit der Ankunft des Frühligs, also den ersten warmen Tagen, wird der Schinken in den Keller gebracht. Der Keller ist in der Regel ein-zwei Stufen niedriger als das Hofniveau, mit Steinboden, nicht isoliert, an der Nordseite gelegen mit einem sehr kleinen, oder ganz ohne Fenster, demnach ein ganz dunkler Raum.

Die Temperatur ist den ganzen Sommer über konstant, frisch und liegt zwischen 14 und 16 grad Celsius. Die oben genannten Kriterien sind die Voraussetzung für die Entstehung der edlen Schimmelsorten die eine vollkommene Reifung des Schinkens ermöglichen.

Die Schinken hängen an Balken im Keller, und lagern dort zusammen mit dem Wein in Fässern. Dort vollzieht sich die entscheidende Metamorphose der Qualität seines Geschmacks und Duftes. Neben der Bora ist dies die wichtigste, wenn nicht die entscheidende Voraussetzung für die Delizie genannt- Istrianischer Rohschinken.

Sexte Geheimnis
Weiterhin ist Geduld, Sorgfalt, aber auch regelmäßige Kontrolle nötig. Der Hausherr wird nun alle 20 Tage den Schinken mit einem dünnen Holzstäbchen stechen um anschließend vorsichtig daran zu riechen. Diese Prozedur sollte man sehen, das Gesicht des Hausherren verrät alle Emotionen die die Qualität enthüllen. Das entstandene Loch stopft der Hausherr gekonnt mit Pfeffer. Leider kann auch das Schlimmste passieren, Maden. (Damit dies nicht geschieht haben manche Haushalte Käfige, umhüllt mit dichtem Gitter, damit die Fliegen nicht zum Schinken gelangen können). Wird dieser Zustand rechtzeitig erkannt, entfernt man den befallenen Teil und trägt auf den heilen Teil des Fleisches erneut Salz und Pfeffer auf. Das Problem ist nur ästhetischer Natur, jedoch wird ein solcher Schinken nicht verkauft werden können. Umso besser, so bleibt er für die Familie.

Siebte Geheimnis
Der richtige Zeitpunkt!
Wann sollte man ihn „öffnen“ („anfangen“, „aufmachen“ wie man hier sagt), wann kann man den Schinken essen? Niemals vor August, je später desto besser, also gegen Ende des Sommers.

Mit einem speziellen, ausschließlich für den Schinken vorgesehenen Messer mit einer langen und schmalen Schneide wird der Rohschinken „geöffnet“. Geschnitten wird mit langen weichen und vorsichtigen Schnitten, so als würde man eine Geige spielen – sagt der Volksmund.

Die Scheiben - „fete“ sind zuerst klein, werden dann immer größer und mehr rot, der betörende Duft breitet sich aus. Hier und dort eine Faser des Fetts bedeutet zusätzliche Qualität. Eine Regel in Istrien ist: das Muss ist eine wenn möglich umso längere und größere, aber nicht zu dünne Scheibe. Man isst sie mit den Händen und sie sollte nach zwei-drei Bissen im Mund schmelzen.

Größere Exemplare des Schinkens können auch ohne Qualitätsverlust gegen Jahresende „geöffnet“ werden, zu Weihnachten oder Silvester, und wenn sie anständig gelagert wurden auch noch im nächsten Sommer.

So, wir haben Ihnen nun die sieben Geheimnisse des Istrianischen Schinkens, als dem herkömmlich traditionellen Produkt, enthüllt. Auch wenn Ihnen diese Geheimnisse nicht ganz so geheimnisvoll scheinen mögen, irren Sie sich, denn gerade ihre Einfachheit ist das Geheimnis alles Geheimnisse. Man könnte es übersetzen als Liebe, Geduld, langjährige Erfahrung ...


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